SDSL/SHDSL
Standardisierung
Die ETSI-Anforderungen fanden in der Spezifikation TS 101 524 Berücksichtigung. Die „europäische HDSL2-Variante“ wird mit SDSL bezeichnet. Da SDSL auch als Abkürzung für Symmetrical DSL genutzt wird (eindeutiger wäre eigentlich SymDSL oder SyDSL), wird zur besseren Kennzeichnung auch ETSI-SDSL verwendet. Die entsprechende ITU-T-Variante nennt man SHDSL. Sie ist in der Norm ITU-T G.991.2 beschrieben [D31.1]. Bei ETSI und der ITU-T ist neben einer Lösung mit einer DA (2-Wire Mode) auch eine Lösung mit zwei DA (4-Wire Mode) Inhalt der Normen.
Blockschaltbild
Das Bild D 31.1 zeigt das Blockschaltbild einer SHDSL-Übertragungsstrecke in der Bezeichnungsweise der ITU-T, bestehend aus einer STU-C (SHDSL Transceiver Unit at the Central Office) und einer STU-R (SHDSL Transceiver Unit at the Remote End) an den beiden Enden der Übertragungsstrecke (I/F – Interface). Optional sind ZWR (SRU –SHDSL Regenerator Unit) vorgesehen.
Bild D 31.1: Blockschaltbild einer SHDSL-Übertragungsstrecke
Grundsätzlich besteht eine STU aus einem anwendungsspezifischen und einem anwendungsunabhängigen Bereich, welche durch die α- beziehungsweise β-Schnittstellen als Referenzpunkte getrennt sind. Diese Schnittstellen sind logische Schnittstellen, auf die nicht zugegriffen werden kann. Ebenso verhält es sich mit dem γ-Interface. Diese Schnittstelle ist Teil des anwendungsspezifischen Bereichs und muss entsprechend der Anwendung (ATM, DS1, E1, ISDN-BRA over SHDSL) ein oder mehrere Datenkanäle und die dazugehörigen Schnittstellen unterstützen.
In Bezug auf das OSI-Referenzmodell sind alle drei Schichten (PMD, PMS-TC, TPS-TC) laut ITU-T G.995.1 [D31.2] als Unterschicht (Sublayer) der physikalischen Schicht-1 zu verstehen. Die PMD-Schicht (Physical Media Dependent) ist dabei für Funktionen der Takterzeugung und Taktrückgewinnung sowie (De-)Codierung und (De-)Modulation verantwortlich. Außerdem werden dort die Echo-Kompensation und der Verbindungsaufbau gesteuert.
(De-)Scrambler-Funktionen werden von der PMS-TC-Schicht (Physical Media Specific-Transmission Convergence) unterstützt. Des Weiteren übernimmt diese Schicht den Rahmenaufbau und die -synchronisation. Alle Funktionen, die nicht von der Anwendung unabhängig sind, werden durch die TPS-TC-Schicht (Transmission Protocol Specific-Transmission Convergence) ausgeführt. Dazu gehört größtenteils das Paketieren der Nutzdaten in einen SHDSL-Rahmen und die Organisation mehrerer Nutzdatenkanäle (Multiplexing, zeitliche Steuerung).
Verbindungsaufbau
Für den Streckenaufbau wird auf die ITU-T-Norm G.994.1 [D31.3], auch G.hs genannt, zurückgegriffen. Zur Aktivierung der Strecke werden zwei Handshake-Sitzungen nach dem G.hs-Protokoll durchgeführt. Während der ersten Sitzung werden allgemeine Informationen ausgetauscht und Parameter übergeben, die für den so genannten PMMS-Modus (Power Measurement Modulation Session) verwendet werden. Dazu gehören vorgeschlagene Bitraten, Sendepegel, Zeitdauer und Grenzwerte. Nachdem die Sitzung beendet ist, wird mit jeder vorgeschlagenen Bitrate die Leitung ausgetestet (Line Probing) und mit den vorgegebenen Grenzwerten verglichen.
Anschließend wird in einer zweiten G.hs-Sitzung anhand der Ergebnisse eine Bitrate für die Kommunikationssitzung vorgeschlagen, und es werden andere spezifische operative Parameter ausgetauscht (zum Beispiel das Datenformat – ATM, TDM, Pakete, Anzahl der ISDN-Kanäle). Nach der Bestätigung durch die Gegenstelle ist die Pre-Aktivierung beendet, und die SHDSL-Transceiver schalten auf den ausgehandelten Modus um. Damit ist die Aktivierung abgeschlossen, sodass die Datenübertragung beginnen kann.
Vierdrahtmodus und Bonding
Im Vierdrahtmodus (4-Wire-Mode) ist es möglich, die Signale über zwei DA zu übertragen. Damit kann man entweder die Bitrate verdoppeln oder die Reichweite erhöhen. Um diese optionale Möglichkeit zu realisieren, ist es notwendig, wie im Bild D 31.1 zu erkennen ist, eine zweite PMD-Schicht zu integrieren, um eine zweite DA einzubinden. Da diese Schicht eine Unterschicht der physikalischen Schicht (die auch als PHY bezeichnet wird) repräsentiert, wird dieses Verfahren PHY-Layer-Bonding genannt. Weitere Verfahren zur Kanalbündelung (Bonding) werden in zukünftigen Ausgaben der Technik-Ecke betrachtet.
Das PHY-Layer-Bonding bringt einige Restriktionen mit sich. Zum einen kann dieses Verfahren nur mit zwei DA verwendet werden, und zum anderen ist es nicht möglich, unterschiedliche Bitraten auf den beiden DA zu betreiben. Das hat im Falle von zwei unterschiedlich guten Übertragungskanälen zur Folge, dass die Bitrate an das niedrigere Niveau in beiden DA angepasst werden muss. Somit wird ein Teil der möglichen Bitrate verschenkt, wobei anzumerken ist, dass derartige Fälle in der Praxis seltener vorkommen.
Allerdings hat dieses Verfahren auch Vorteile. Es handelt sich um ein sehr einfaches Verfahren und ist somit auch relativ einfach zu implementieren. Anwendung findet das so genannte Interleaving. Dabei wird der Datenstrom nach einem bestimmten Modus
auf die zwei DA aufgeteilt. Bei SHDSL sind drei verschiedene Modi angedacht:
Byte-interleaved, Bitstream-interleaved und Bit-interleaved. Da die beiden Kanäle untereinander stets synchron zueinander sind und mit derselben Bitrate betrieben werden, können die Nutzdatenblöcke quasi parallel gefüllt werden. Dabei wird beim Byte-Interleaving abwechselnd jeweils ein Byte auf die beiden DA verteilt, sodass auf DA Nr. 1 alle Byte mit ungerader Nummer transportiert werden und auf DA Nr. 2 alle Byte mit einer geraden Nummer. Dieses Verfahren zeigt Bild D 31.2.
Bild D 31.2: Byte-Interleaving im 4-Wire-Mode
So ähnlich verhält es sich beim Bitstream-Interleaving. Dabei wird jedoch zuerst nicht nur ein Timeslot, sondern der gesamte Subblock von DA Nr. 1 gefüllt, danach der gesamte Subblock auf der DA Nr. 2. Das Bit-Interleaving ist kein eigenständiges Verfahren, sondern tritt nur in Verbindung mit dem Byte-Interleaving auf. Es findet Anwendung, wenn ein ISDN-BRA Bestandteil des SHDSL-Rahmens ist.
Die Signalisierungsbit der ISDN-BRA-Kanäle werden bitweise abwechselnd auf die beiden DA aufgeteilt, während die Daten weiterhin byteweise verteilt werden (vergleiche Bild D 31.2). Diese Mechanismen des Interleavings werden aber nur bei den Nutzdaten angewendet. Die SHDSL-Overhead-Informationen, welche von den Nutzdaten unabhängig sind (zum Beispiel Indikatorbit), sind auf beiden DA identisch.
Die Ausführungen zu SDSL/SHDSL werden in der nächsten Ausgabe der Technik-Ecke Rubrik D fortgesetzt.
Literatur
[D31.1] ITU-T Recommendation G.991.2: Single-pair high-speed digital subscriber line (SHDSL) transceivers
[D31.2] ITU-T Recommendation G.995.1: Overview of Digital Subscriber Line (DSL) Recommendations, for Approval
[D31.3] ITU-T Recommendation G.994.1: Handshake Procedures for Digital Subscriber Line (DSL) Transceivers