In 2010, als ich in den USA lebend die Chance erhielt nach knapp zwanzig Jahren wieder nach Deutschland zu ziehen, da meinte ich, dass der Umzug nach Deutschland die spannendere Entscheidung sei.
Als ehemaliger Wessi aus einem Vorort von New York an den östlichsten Rand der Republik in eine Kleinstadt! „Was machen Sie nur hier?“ wurde ich oft gefragt. Bei dem ein oder anderen hat es auch eine Weile gedauert, bis er es mir abnahm dort sein zu wollen.
Das überraschte mich jedoch nicht am meisten. Nein, es war der Umgang mit Zeit, Arbeitszeit und Freizeit. Ich hatte nach meinem Studium nicht in Deutschland gearbeitet und kannte so etwas wie ein Bundesurlaubsgesetz oder Gleitzeit nicht!
Ich war es gewohnt im Winter in den USA im Dunkeln zur Arbeit zu gehen und abends im Dunkeln das Gebäude wieder zu verlassen ohne ein Fenster im Büro. Oder dass in Japan der letzte Kollege gegen neun Uhr abends das Büro verließ, weil die Klimaanlage ausgeschaltet wurde. Das Kollegen in Japan ihren Jahresurlaub nicht komplett nahmen, sondern immer etwas für das Unternehmen übrigblieb.
So konnte ich mir nicht vorstellen, dass Unternehmen in Deutschland mit einem deutlich geringeren Jahresarbeitsstundenbudget im internationalen Wettbewerb bestehen könnten. Aber, so hieß es in Japan und den USA: Die Deutschen! Sie sind ja so effizient! Sie kommen zum Arbeitsplatz, um dort zu arbeiten und nicht um am Arbeitsplatz zu leben. Nun ja.
Meine eigentliche Vorstellung als neuer Entwicklungsleiter war denn auch, komplett auf Stundenbuchungen zu verzichten. Aber erst einmal mussten die Stunden erfasst und abgerechnet werden, denn wir benötigten ja einen Überblick über die Kosten!
Gewarnt wurde ich zu diesem Zeitpunkt, dass nur ja nicht 100% der Stunden erfasst gehören, denn wir haben ja Vertrauensarbeitszeit! Also erfand ich die Maßgabe, dass nur die Projektstunden erfasst werden und diese mindestens 80% der Gesamtzeit ausmachen sollten. Mittlerweile fordert die EU 100% der Arbeitsstunden müssen erfasst werden. Also haben wir keine Vertrauensarbeitszeit mehr in Europa?
Das hat dazu geführt, dass wir bei der #Teleconnect 100% Flextime ohne Kernarbeitszeit eingeführt haben. Wir können jederzeit mitten am Tag den Arbeitsplatz verlassen und private Angelegenheiten regeln (solange das Projekt läuft). Wir haben 100% Gleitzeitverfolgung und natürlich werden alle geleisteten Überstunden ausbezahlt oder abgefeiert.
Nun scheint man der Meinung zu sein, auch Pausen müssten verfolgt und vom Arbeitgeber kontrolliert werden. Ist das so? Oder kann man Arbeitnehmern zumuten die mindestens jährlich wiederholten Hinweise auf ordentliche Pausenzeiten selbständig zu beachten?
Ach ja, ich vergaß: Bis auf einen Mitarbeiter sind alle Kollegen „Akademiker“.
Falls dann doch die Pausenregelung notwendig wird, hätte ich eine Idee: die Pausenglocke – im ganzen Land der gleiche Klang zur gleichen Zeit!
Was denken Sie? Machen wir hier in Europa alles richtig mit den Arbeitsstunden?